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Manova-Exklusivgespräch: Claudia von Werlhof – Die große Verwirrung

Im Manova-Exklusivgespräch mit Elisa Gratias erläutert die emeritierte Professorin für Politikwissenschaft und Frauenforschung Claudia von Werlhof den bisher tabuisierten Ursprung der aktuellen Krisen.

Unsere Welt wird immer künstlicher. Beim Aufenthalt in der Shopping-Mall nach einem Waldspaziergang ist diese Erkenntnis besonders schmerzhaft. Die meisten Menschen im Westen wurden bereits in diese Kunstwelt hineingeboren und halten sie zum Großteil für normal. Der technische Fortschritt ist unsere Religion. Die neuzeitliche Wissenschaft ersetzt die Naturordnung durch eine künstliche Ordnung, von der sie behauptet, sie sei besser. Doch etliche Naturwissenschaftler beobachten oft nur zerstückelte Teile aus der Natur und fokussieren auf einen winzigen Ausschnitt. Claudia von Werlhof kritisiert seit Langem die vierte industrielle Revolution, die ganze Gender- und Klimadebatte sowie die fehlenden Auseinandersetzungen zu Geoengineering und Nanotechnologien, ja Technik im Allgemeinen. Im Manova-Exklusivgespräch erklärt sie ausführlich, wie all dies mit der Entwicklung des Patriarchats zusammenhängt und was dieser Begriff wirklich bedeutet. Sie fordert, dass wir endlich erkennen müssen, was um uns herum passiert, um die Verwirklichung des Transhumanismus-Albtraums zu verhindern.

Die westliche Industriegesellschaft basiert auf der Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Weite Teile der Arbeitswelt und unseres Konsumverhaltens basieren auf der Methode, die Natur zunächst zu zerlegen und danach in etwas Künstliches zu verwandeln. Dieses Vorgehen stammt aus der Alchemie, einem Begriff, mit dem die meisten heute obskure Experimente verbinden, die längst gescheitert sind. Die Maschine ist aus der Sicht ihrer Erfinder das neue Leben. Doch ohne Energie ist die Maschine nur ein Haufen Schrott. Auch die moderne Alchemie der Naturwissenschaften ist zum Scheitern verurteilt. Doch, ob wir dieses Scheitern überleben, ist die andere Frage.

Claudia von Werlhof erkannte diese Zusammenhänge im Laufe ihrer lebenslangen Forschung und formulierte die Erklärung dafür in ihrer „kritischen Patriarchatstheorie“. Sobald jedoch der Begriff Patriarchat fällt, hören sehr viele weg. Es ist Zeit, zu erkennen, dass dieser Begriff wie so viele andere — Verschwörungstheoretiker, Querdenker, Coronaleugner — völlig „verhunzt“ gebraucht wird.

Im Manova-Exklusivgespräch erklärt die Forscherin ausführlich, was er wirklich bedeutet, und wie er sich bis in den Transhumanismus fortsetzt. Für eine lebenswerte Zukunft müssen wir endlich erkennen, was eigentlich um uns herum los ist. Ihre kritische Patriarchatstheorie betrifft alle Bereiche: das Klima, die Ökologiefrage, die Gender-Debatte, den Transhumanismus und die vierte industrielle Revolution.

Väter des Nichts: Warum heute Alles kaputt geht – Teil 2 | Prof. Claudia von Werlhof

Prof. Claudia von Werlhof ist eine renommierte Wissenschaftlerin und Aktivistin, die sich intensiv mit Themen wie Patriarchatskritik und Alternativen zur neoliberalen Weltordnung auseinandersetzt. Sie hatte bis 2011 den ersten Frauenforschungslehrstuhl in Österreich am Institut für Politikwissenschaft der Universität Innsbruck inne und ist seitdem emeritiert. Sie hat zahlreich publiziert zur internationalen Politik, Frauenbewegung und forschung, Entwicklung/ Unterentwicklung, Alternativen und soziale Bewegungen im Agrarsektor, Kapitalismus und Patriarchatskritik, Technologie- und Ökologiefrage, aber auch zur Globalisierung und Neoliberalismus. Sie hat 2007 das FIPAZ (Forschungsinstitut für Patriarchatskritik und Alternative Zivilisationen) gegründet und 2010 die PBME (Planetare Bewegung für Mutter Erde) gegründet.

Teil 2 unseres Gesprächs bietet eine Fülle von Einsichten und fordert zum kritischen Denken und Handeln auf. Es ist ein Muss für alle, die sich für die komplexen Herausforderungen unserer Zeit interessieren und nach tiefgreifenden Lösungen suchen:

Systemkritik und Neuausrichtung: Die Notwendigkeit, das derzeitige System, das als „alchemistisches Kriegssystem“ bezeichnet wird, zu überdenken und zu reformieren. Es fordert eine neue Ordnung, die im Einklang mit der Natur steht und nicht auf Ausbeutung und Zerstörung basiert.

Technologie und Menschlichkeit: Kritik an der zunehmenden Abhängigkeit von Technologie und Maschinen. Die Diskussion stellt die Frage, was passiert, wenn Maschinen das Denken für uns übernehmen und wie dies zu einer Entmenschlichung und möglicherweise zu einer Verschiebung hin zum Transhumanismus führen könnte.

Bewusstseinswandel und Handlung: Die Notwendigkeit eines „Sprungs im Bewusstsein“: Veränderung muss nicht nur auf systemischer, sondern auch auf individueller Ebene stattfinden. Umdenken in Bezug auf unsere Beziehung zur Natur, zur Technologie und zueinander ist erforderlich.

Väter des Nichts: Warum heute Alles kaputt geht – Teil 1 | Prof. Claudia von Werlhof

Prof. Claudia von Werlhof ist eine renommierte Wissenschaftlerin und Aktivistin, die sich intensiv mit Themen wie Patriarchatskritik und Alternativen zur neoliberalen Weltordnung auseinandersetzt. Sie hatte bis 2011 den ersten Frauenforschungslehrstuhl in Österreich am Institut für Politikwissenschaft der Universität Innsbruck inne und ist seitdem emeritiert. Sie hat zahlreich publiziert zur internationalen Politik, Frauenbewegung und forschung, Entwicklung/ Unterentwicklung, Alternativen und soziale Bewegungen im Agrarsektor, Kapitalismus und Patriarchatskritik, Technologie- und Ökologiefrage, aber auch zur Globalisierung und Neoliberalismus. Sie hat 2007 das FIPAZ (Forschungsinstitut für Patriarchatskritik und Alternative Zivilisationen) gegründet und 2010 die PBME (Planetare Bewegung für Mutter Erde) gegründet.

Im heutigen Gespräch geht es um:

Die Kritik am Patriarchat: Prof. Claudia von Werlhof geht tiefgreifend auf die fest verwurzelten patriarchalen Strukturen ein, die unsere Gesellschaft geprägt haben. Sie argumentiert, dass dieser Einfluss des Patriarchats zur Degradierung der Natur un der Umwelt geführt hat. Die Diskussion legt nahe, dass dies ein seit Tausenden von Jahren andauernder Prozess ist, der durch moderne technologische Fortschritte beschleunigt wurde.

Die Umkehrung der Natur und ihre Konsequenzen: Im Gespräch wird das Konzept der Umkehrung der natürlichen Ordnung der Welt durch technologische und alchemistische Mittel erforscht. Diese Umkehr hat zur Zerstörung kleiner Lebewesen, Pflanzen und sogar der Ozonschicht geführt. Die Diskussion berührt auch, wie diese Umkehr sowohl die Natur als auch die Menschen beeinflusst und zu einer Zukunft führen könnte, die mit Umwelt- und Gesellschaftsproblemen belastet ist.

Die Rolle der Technologie und des Fortschritts: Im Interview wird der ungeprüfte Glaube an Technologie als eine Form des Fortschritts in Frage gestellt. Prof. Claudia von Werlhof argumentiert, dass dieser sogenannte Fortschritt tatsächlich mehr Schaden als Nutzen anrichtet, was zur Erschöpfung natürlicher Ressourcen und zur irreversiblen Umwandlung der Natur in Kapital führt.

Prof. Dr. Claudia von Werlhof | Video-Interview „Neue Wege Kongress 2023“

Interviewer: Christiane Trautwein-Lykke.

Der „Neue Wege Kongress“ ist ein Online-Event, das vom 6. August bis zum 18. August 2023 stattfand.
Das Motto des Kongresses lautet „Create y Change – Mutmacher & Weckruf – Heilsames für mein Leben tun“.
Der Kongress dreht sich um die Themen Identität & Individualität, Freiheit & Selbstbestimmung.

A world without mothers?

Would any of us want to live in a world without mothers?

The question may sound absurd, but the eugenicists behind test-tube babies and surrogate motherhood now have their sights on genetic engineering and artificial wombs, which would cut women out of the reproductive process.

This is the warning sounded in a powerful special edition of the French journal Ecologie & Politique, which has sparked some controversy (see below).

In their introductory article, entitled ‘The obsolesence of birth’, Mathias Lefèvre and Jacques Luzi write: “The creation of an artificial womb would confirm the disassociation, initiated by in vitro fertilisation, between the female body and human reproduction.”

“It would no longer be a case of ‘giving birth to the other’ or ‘bringing them into the world’, but of ‘producing a child’ – if possible, without defects”.

They trace the origins of the current threat to a “reductionist, mechanical and utilitarian representation of nature” which incited an “essentially totalitarian global programme”.

This involved the construction of “a new, artificial world, judged to be better than the previous one, in the pursuit of order, enrichment and power. We call this programme ‘industrialism’.”

An important contribution to the journal comes from Silvia Guerini of the Italian group Resistenze al nanomondo, who is one of the founders of FINAARGIT, the international feminist network against all artificial reproduction, gender ideology and transhumanism.

In her article entitled ‘A world without mothers?’, she argues that while the current justification for the technology is on medical grounds, helping people who cannot have babies naturally, the long-term goal for the industry is no doubt to make artificial reproduction the norm.

As Luzi explains, the various branches of biotechnology “are the means by which techno-capitalism can push back the limits of its development by turning life itself into an infinitely-exploitable raw material.”

“The biomedical grip on human reproduction is part of the general process of the commodification of life.”

Industrialist greed-monsters cannot stand the thought that there are things we can do ourselves, for free, without them being able to extract any profit.

It would be in their financial self-interest if everyone was obliged to shop at their baby supermarkets, either because for some reason we were sterile or because it was simply no longer the done thing to indulge in dangerously unscientific and unhygienic natural reproduction.

Guerini suggests: “The use of your own body would be considered a sign of social inferiority and poverty. A natural mother would be considered potentially irresponsible, like mothers who currently opt for home birth, refusing the hospitalisation and medicalisation of the process… Natural childbirth would first be treated as irresponsible, then criminal”.

Eugenics, so dear to 20th century totalitarians, is central to the artificial reproduction programme.

Guerini writes: “Remember that there can be no Medically Assisted Procreation (MAP) without the selection of spermatozoa and of embryos… When technoscientists get involved in the process of procreation they want to set the characteristics of each of these elements, choose them, modify them and determine the end result.

“The laboratory environment transforms the birth process into a technical operation: the embryo becomes a product to be selected, improved, rejected or transformed”.

The grotesque direction in which this could take us is indicated by recent American-Chinese-Spanish experiments involving the fusion of genes to create half-human half-monkey embryos, she says.

Every phase of techno-industrial “progress” needs its cheerleaders, and today these often seem associated with the “woke” left.

Guerini explains that there have long been some feminists, notably Shulasmith Firestone, who acclaim artificial reproduction as “liberating” women from “biological tyranny”.

And she predicts that artificial wombs will be demanded, like MAP, as a “right” for everyone, including “transgender” people.

These are “false rights”, says Guerini, and need to be exposed as such.

“Having a child cannot be claimed as a right, neither for a heterosexual couple nor for a homosexual couple, nor for a single woman or man. There cannot be a right to have a child. The capacity to generate life cannot be claimed as a new right by men who identify as women. Procreation can never belong to them”.

Guerini notes that “the interests and the demands of the LGBTQ+ movement and of transfeminism on the subject of reproduction converge with those of the techno-scientific and transhumanist system”.

Here, incidentally, she is echoed by Renaud Garcia, whose own contribution to the journal describes such “woke” pseudo-radicals as “agents of social acceptability” for a techno-system “directed by the caste of possession, power and knowledge”.

Guerini warns: “MAP, selecting embryos, experimenting on embryos, genetic modification and artificial wombs are all deeply-connected aspects of the same transhumanist project.”

“Techno-scientific progress is constantly accelerating, and ethical barriers are tumbling one after the other, bringing us closer to a new neutral and infinitely-modifiable species in a post-human and post-natural world.”

“A world without mothers, which has definitively and totally expropriated women’s bodies and their reproductive dimension, which has definitively and totally taken control of the life-creating process, which engineers the living and which dominates the evolution of the human species itself”.

Garcia, for his part, argues that authentic environmentalists need to “denounce with all their strength the forces of artificial human reproduction and criticise its agents of social acceptability”.

Otherwise, if they swallow all the manipulative propaganda, they will be unable to do anything to halt the advance of the ruthless techno-industrial system – “in other words, the crushing of human nature by the power of the machine”.

SOURCE: www.thewinteroak.org.uk

Von der Subsistenzperspektive zur Kritischen Patriarchatstheorie – Claudia von Werlhof im Interview

Der Bielefelder Ansatz der „Subsistenzperspektive“, Entstehung seit 1976

Der sog. „Bielefelder Ansatz“ beruht auf einer erweiterten Analyse des Kapitalismus und der Kapitalakkumulation als Weltsystem, indem er zum ersten Mal die Hausarbeit, die bäuerliche Arbeit und die Marginalität als „kapitalistische“ Produktionsverhältnisse definiert und einbezieht, also alle Arbeitsverhältnisse jenseits der Lohnarbeit weltweit. Dabei gerät auch das Patriarchat als organisatorisches Prinzip und Gewaltverhältnis auf neue Weise in den Blick, und es entsteht der Begriff des „kapitalistischen Patriarchats“, der unterstreicht, dass der Kapitalismus seine historischen Wurzeln im Patriarchat hat. Die Extrapolation dieser Produktionsweise, sprich des kapitalistischen Patriarchats, das den sog. Sozialismus inkludiert, zeigt, dass sie gerade an ihre globalen Grenzen stößt. Die Logik der Alternativen würde darin bestehen, eine „Subsistenzperspektive“ zu verfolgen, nämlich eine Politik der lokalen und regionalen Selbstversorgung jenseits von Warenproduktion, Lohnarbeit und Kapital(akkumulation) sowie Patriarchat. Nur auf diese Weise könnten das Ausbeutungs- und Zerstörungswerk der Moderne beendet und eine nicht mehr kapitalistische und patriarchale Weltzivilisation aufgebaut werden, die wieder an den Erfahrungen der egalitären und an der Natur orientierten Traditionen der matriarchalen Zivilisation anknüpft.

Von heute aus gesehen ist der Bielefelder Ansatz unvollständig geblieben. Er ist bei der Frage der Ökonomie eines um das Patriarchat erweiterten Kapitalismus stehengeblieben und hat die Frage der Technik bzw. Produktivkräfte als eigenständige und das Patriarchat samt Kapitalismus umfassend neu definierende Frage (noch) nicht gestellt. Der Bielefelder Ansatz kann daher nicht erklären, warum heute die Subsistenzperspektive nicht überall umgesetzt wird und werden kann, obwohl das Weltsystem inzwischen selbst erklärt, an seine Grenzen gestoßen zu sein. Das geschieht, indem etwa eine Klimakrise vorgeschoben und sogar produziert wird (etwa durch „Geoengineering“), um den Ressourcenverbrauch massiv zu drosseln und womöglich eine Bevölkerungsreduktion und tatsächlich einen zivilisatorischen Umbau in Gang zu setzen (Green New Deal, Great Reset). Gleichzeitig werden aber alle Produktionsmittel in immer weniger Händen konzentriert (z.B. Landgrabbing) und einer beschleunigten Maschinisierung unterworfen (4. Industrielle Revolution, Internet of Things, Digitalisierung) sodass sie einer alternativen Politik immer mehr entzogen werden.

Der Innsbrucker Ansatz der „Kritischen Patriarchatstheorie“, KPT, Entstehung seit 1990

Die KPT ist (m)eine Weiterentwicklung des Bielefelder Ansatzes, den ich mit aufgebaut habe. Dabei ging es um weiterführende Fragen: Was genau bedeutet eigentlich das Patriarchat, einmal unabhängig vom Kapitalismus gesehen, denn es entstand ja lange davor? Was hat es auch mit der Entstehung des Kapitalismus zu tun und dem, was danach kommt? Hat es ein eigenes Programm, was ist seine Dynamik, und wie passen sie zur Moderne? Oder auch umgekehrt: Inwiefern ist das Patriarchat die „Tiefenstruktur“ der Moderne selbst – und nicht etwa etwas, das gerade als „unmodern“ oder „überholt“ abgeschafft wird?

Der Zugang zu diesen Fragen entwickelte sich über die zusätzliche systematische Einbeziehung der Frage nach der Technik, also derjenigen der sog. Produktivkräfte, und zwar seit der Entstehung des Patriarchats mit der des Krieges in der Antike. Die KPT thematisiert den zu beobachtenden Zusammenhang von Technik und Gewalt als zentralen Merkmalen des Patriarchats, also von Krieg und „Entwicklung“, Produktion und Destruktion, bzw. Schöpfung aus Zerstörung und Zerstörung durch „Schöpfung“. Dadurch kommt eine außerordentliche historische Dynamik in den Blick, die lange vor dem Kapitalismus mit dem Patriarchat entstanden ist und bis heute immer massiver weitergewirkt hat, ja in dem Phänomen einer zu beobachtenden Weltzerstörung – Gefahr eines „Omnizids“ – gipfelt. Es handelt sich um die Entstehung und Entwicklung des „Fortschritts“, der eine Zerstörung des „mater arché“-Prinzips – am Anfang die Mutter – und seine Ersetzung durch ein angebliches „pater arché“-Prinzip – am Anfang ein „Vater“ – zum Ziel hat. Es soll also eine „väterliche“ anstelle der mütterlichen und generell natürlichen Hervorbringung der Welt erfunden und durchgesetzt werden, bis ein von allem Matriarchalen befreites „reines“ Patri-archat als die angeblich höhere und bessere Neuschöpfung der Welt entstanden ist. Denn eine väterliche Schöpfung wird seit Beginn des Patriarchats als die „eigentliche“ Natur imaginiert und ihre gewaltsame Erfindung und Durchsetzung dadurch gerechtfertigt. Fast die gesamte technische Entwicklung seit der patriarchalen Antike ist von diesem Grundgedanken geprägt. Ja, es stellte sich heraus: Das Patriarchat lässt sich überhaupt vor allem als technisches Projekt einer solchen umfassenden Transformation der Welt verstehen!

Dieses Projekt kann zunächst in der antiken „Alchemie“ der frühen Patriarchate und ihren Weiterentwicklungen bis in die europäische Neuzeit und Moderne erkannt werden. Dabei kommt es konsequenterweise zur Erfindung der Maschine als angeblich „besserer Natur“ und „höherem Leben“, ihrer Ausdehnung zur Zivilisation als „alchemistischem Kriegs-System“ und einer am Ende die ursprüngliche Natur vernichtenden und verdrängenden „Megamaschine“. Das Patriarchat ist damit nichts Geringeres als der historische Prozess eines versuchten Umsturzes der Naturordnung selbst. Es erstrebt auf diese Weise seine endgültige und komplette Realisierung – die ein Zustand jenseits der mütterlichen Schöpfung, der Schöpfung von Mutter Natur – wäre. Unter dieser Perspektive einer auf die Dauer angestrebten Totaltransformation der Welt bekommen ökonomische Ausbeutung und Aneignung sowie politische Gewalt und Herrschaft erst ihren „Sinn“. Das verändert den gesamten Blickwinkel. Denn bei diesem Projekt dient der Kapitalismus als globaler Beschleuniger, indem er das patriarchale Projekt gewinnbringend inszeniert. Es kommt also auch zu einer neuen Definition des Kapitalismus als einem Bestandteil des Patriarchats als dem Programm der Welttransformation. Das Patriarchat ist demnach – auch umgekehrt – viel mehr als ein bloßer Bestandteil des Kapitalismus, sondern dessen „inhaltliche“ Grundlage. Ja, es entsteht eine gänzliche Neudefinition des Verhältnisses von Kapital und Patriarchat und des Patriarchats jenseits seiner lediglich politischen und ökonomischen Bestimmung als Ausbeutungs- und Herrschaftsform. Denn die Motive, Ziele und Praxen des Patriarchats, seine „konkrete“ Utopie, sind die allem anderen zugrundeliegenden und die Entwicklung bestimmenden. Das Patriarchat gibt also den Ton an, nicht ein davon als mehr oder weniger unabhängig definierter Kapitalismus.

Das Problem damit ist allerdings, dass das Patriarchat im eigentlichen Sinne tatsächlich kollektiv unbewusst geblieben bzw. systematisch gemacht worden ist. Es wird quasi als „natürlich“ angesehen und wie eine Art allgemeine Religion vorausgesetzt. Es wird aber auch aktiv daran gearbeitet, das Bewusstwerden des Patriarchats zu verhindern, indem es angeblich diskutiert wird, jedoch völlig falsch definiert und reduziert auf die Frage gleicher Rechte von Frauen innerhalb des Systems, als Genderismus, politische Korrektheit und Toleranz gegenüber Minderheiten, „Sexualitäten“ oder Transgender-Phänomenen wie angeblich „schwangeren Männern“. So wird die Patriarchatskritik besetzt und in ihr Gegenteil verkehrt, was zu einer geradezu Orwell´schen Sprachverwirrung führt. Auf diese Weise kann die maschinenlogische Perfektionierung des Patriarchats gegen jede noch vorhandene Naturhaftigkeit wie die Mutterschaft oder das Geschlecht von Männern und Frauen unbemerkt durchgesetzt werden. Denn die irdische Naturordnung und die Maschine bis hin zum Antihumanismus sind keine Themen dieser angeblichen Patriarchatskritik, die sich lediglich an Ungleichheiten und „Diskriminierungen“ orientiert, welche im Angesicht der Maschine letztlich ohnehin wegfallen.

Im Vergleich zum Bielefelder Ansatz verfügt die KPT also über eine genauere, ergänzende und schließlich umwälzende historische Grundlegung im neu verstandenen Patriarchat und insbesondere seinen Techniken der Weltneuschöpfung durch sogenannte Väter. Erst so können die Logik der Moderne und des Kapitalismus und seine grundsätzliche Destruktivität erklärt werden, die inzwischen weltweit lebensbedrohliche, ja teilweise irreversible Konsequenzen hat und den Planeten als Ganzen betrifft. Die KPT mit ihrer allem anderen zugrunde zu legenden Technikkritik zeigt auch, warum die Subsistenzperspektive heute als Alternative zum kapitalistischen Patriarchat gar nicht durchsetzbar ist. Denn die neueste technische Entwicklung einer „alchemistischen“, inzwischen 4. Industriellen Revolution, ermöglicht es dem System, die Alternativen zu verabschieden, indem es vorgibt, diese nun sogar selbst zu realisieren (s. „Grüne“ Politik). Tatsächlich aber wird aktuell eine Politik umgesetzt, die sich unter Verwendung völlig „verkehrter“ Begriffe der Konzentration aller Produktionsmittel und Werte in weltweit ganz wenigen Händen verpflichtet, um sie in das alchemistische Transformationsprojekt zu integrieren (Ende des generellen Privateigentums, freien Unternehmertums und der Menschenrechte), die Gesellschaft auf eine extrem reduzierte quantitative Basis – durch eine laufende Bevölkerungsreduktion – zurückzufahren und mit neuen Technologien weiterzuführen. Diese sollen der menschlichen Arbeitskraft, ja der menschlichen Intelligenz und Kreativität kaum mehr bedürfen, sondern durch die generelle Maschinisierung sowie den als besser und höher propagierten maschinisierten Menschen, die trans- und posthumane Menschmaschine, ersetzen. So geht die tatsächliche Realisierung des Patriarchats als Zivilisation einer Schöpfung der Väter in ihre Endrunde, wobei die mutterlose Reproduktion einen „Menschen“ hervorbringen soll, der keiner mehr ist und sein soll. Patriarchat bedeutet das Ende der Conditio Humana, also eine „Menschendämmerung“. Erst dieser letzte Teil der Verwirklichung des Patriarchats als historischem Prozess, der bisher aufgrund des generellen Anthropozentrismus sowie der allgemeinen Technik- und Fortschrittsgläubigkeit nicht bedacht wurde, zeigt, was Patriarchat jenseits einer bloßen Herrschaftsordnung, Ökonomie und „Psychologie“ wirklich ist. Es macht ernst mit der destruktiven Transformation alles Bestehenden in „Väter“-Geschaffenes, eben auch der des Menschen selbst. Ohne ein Verstehen der alchemistischen Verfahren, welche die entsprechenden technischen – und auch alle anderen – zivilisatorischen Methoden und Verhältnisse inzwischen bestimmen, ist demnach nicht erkennbar, wie ein derartiges Durchstarten des Systems heute möglich ist. Ja, der Glaube an dieses System ist ungebrochen, sein patriarchaler Charakter kollektiv unbewusst, und der Gang der Väter ins Nichts anstatt in das von ihnen beschworene neue Paradies undurchschaut. Es herrscht buchstäblich der von Adorno sogenannte „Verblendungszusammenhang“. Der Fortschritt kann bisher nicht als das logische Ende des Menschen selbst erkannt werden.

Indem diese letzteren Entwicklungen erst seit dem 21. Jahrhundert deutlich in Erscheinung zu treten begonnen haben, ist nun erkennbar, warum der Bielefelder Ansatz immer weniger realisierbar ist. Das haben seine VertreterInnen aber noch nicht wahrgenommen, insofern die Weiterentwicklung der Analyse des Weltgeschehens durch die KPT an ihnen vorbeigegangen ist. So sind der viel umfassendere und konkretere neue Patriarchatsbegriff der KPT und die durch sie formulierte Technikkritik nach wie vor ein Tabu gerade in Kreisen, die sich der Gesellschaftsanalyse widmen. Die KPT erfordert ein Neu- und Umdenken, zu dem die wenigsten bisher fähig oder bereit zu sein scheinen. Die Frage, wie die heutige buchstäblich lebensbedrohliche Entwicklung und ihre Ursachen überhaupt wahrgenommen, geschweige denn gestoppt werden können, ist jedenfalls mit der Subsistenzperspektive allein nicht beantwortbar. Erst eine Infragestellung des weit über eine bloße Ausbeutung und Unterdrückung hinausgehenden patriarchalen Transformationsprojekts und seiner Utopie der Realisierung einer vätergeschaffenen Maschinen-Welt gegen Mutter Natur kann zu einer Antwort führen. Sie ist nach Jahrtausenden der Gewöhnung an das alles verkehrende patriarchale Denken, Handeln, Fühlen und Wollen aber nicht in Sicht. So ist längerfristig von einem Scheitern des „alchemistischen Kriegssystems“ Patriarchat auszugehen, weil es sich als Gegen-Natur aufbaut. Eine solche Verkehrung der Naturordnung kann es auf die Dauer nicht geben. Aber die Zerstörung des Lebens, die dadurch zunächst in immer größerem Umfang stattfindet, und bis hin zu einem Omnizid gehen kann, kann ja nicht hingenommen werden. Als Menschen haben wir nun die Verantwortung für die Bewahrung des Lebens auf der Erde. Wenn wir das erreicht haben, kann auch eine Subsistenzperspektive wieder greifen.

Die fünf wichtigsten zivilisatorischen Verhältnisse

Durch die moderne Matriarchatsforschung war es möglich, die beiden wichtigsten Zivilisationen der Geschichte, Matriarchat und Patriarchat, zu identifizieren und dadurch die Diffamierung des Matriarchats und die Einschränkung des Zivilisationsbegriffs auf Patriarchate zu überwinden. So ist es möglich, uns der Bedeutung der matriarchalen Zivilisation bewusst zu werden und sie angesichts der konträren Entwicklung der patriarchalen Zivilisation als Alternative im Auge zu behalten. Denn: nicht immer war Patriarchat, und es muss auch nicht dabei bleiben!

Die Unterscheidung der beiden Zivilisationen in ihren verschiedenen Ausprägungen nehmen wir anhand von fünf grundlegenden zivilisatorischen Verhältnissen vor, die mindestens und dauerhaft geregelt werden müssen, um den Fortbestand einer Zivilisation generell zu gewährleisten. Es sind

• Das Naturverhältnis, bestehend aus Ökonomie und Technik, mit denen die Zivilisation mindestens ihr materielles Überleben sichert. Denn alles das, was sie dafür braucht, entstammt der umgebenden Natur. Sie muss also den Ge- und Verbrauch der Natur quantitativ, qualitativ und technisch so organisieren, dass er dauerhaft das Überleben garantiert. Dadurch ist das Naturverhältnis das unmittelbar wichtigste von allen.

• Das Geschlechterverhältnis zwischen Männern und Frauen ist zu regeln, weil es um die Reproduktion der Gattung und damit um das Weiterbestehen der Zivilisation überhaupt geht. Werden keine neuen Menschen geboren, geht die Zivilisation zugrunde. Es müssen also die Bedingungen dafür geschaffen werden, dass es dazu kommen kann und verlässlich kommt, und es müssen die Bedingungen für die Aufzucht der nächsten Generation geregelt werden.

• Das Generationenverhältnis zwischen der jungen, mittleren und älteren Generation ist zu regeln, damit ein fließender Übergang in der Zeit und eine Weitergabe von Erfahrungen, Wissen und Traditionen stattfinden kann, die nötig sind, um das zivilisatorische Leben aufrecht zu erhalten, ohne es immer wieder neu erfinden zu müssen.

• Das politische Verhältnis ist notwendig, um die Form zu bestimmen, in der das Zusammenleben innerhalb der Zivilisation generell ausgehandelt, weitergegeben und gegebenenfalls durchgesetzt wird, und wie mit Einflüssen von außen oder nach außen umgegangen wird.

• Das Transzendenzverhältnis, schließlich, führt zurück ins Naturverhältnis. Es ist das zivilisatorische Verhältnis zur Tatsache des Eingebundenseins der menschlichen Existenz in eine umfassendere Welt, den Kosmos, in das Rätsel der Übergänge zwischen Leben und Tod sowie der Herkunft und Aufgabe des Menschen auf der Erde. Religion und Spiritualität sind Ausdrucksformen des Transzendenzverhältnisses.

Es ist von hier aus klar, dass es sehr verschiedene Formen geben kann, wie diese fünf zivilisatorischen Grundverhältnisse geregelt werden. Es kommt darauf an, ob man sich dabei an der Natur orientiert oder gerade nicht, ob man zu Zwangsmitteln greift oder vom Konsens ausgeht, und ob und wie man sich den umgebenden Bedingungen anpasst oder nicht, bzw. diese auch noch umzukehren bestrebt ist. Davon hängt der Charakter der Zivilisation ab und die Dauer, die sie Bestand haben kann.

Aufgrund der Matriarchatsforschung wissen wir, dass die matriarchale Zivilisation von Naturnähe, interner Kooperation und Egalität in der Entscheidungsfindung geprägt war/ist. Die patriarchale Zivilisation ist dagegen von Naturferne, gegen sie gerichteten Utopien, Gewalt und Hierarchien gekennzeichnet. Ja, sie strebt eigentlich einen Zustand jenseits der Natur an, in dem alle Verhältnisse durch maschinelle Bedingungen ersetzt worden sind, sodass eine Zivilisation im menschlichen oder natürlichen Sinne gar nicht mehr besteht. Das Patriarchat als Weltsystem läuft auf ein Ende aller Zivilisation hinaus.

Claudia von Werlhof, Mai 2022

Buch im Druck:
Väter des Nichts. Zum Wahn einer Neuschöpfung der Welt, 2 Bde. Zeitgeist 2022

Video-Lezione intitolata „Claudia von Werlhof e la variante eco-radicale del femminismo“

Con la sua cinquantaduesima video-lezione intitolata „Claudia von Werlhof e la variante eco-radicale del femminismo“ „Donne e Pensiero Politico – DoPP“ compie un salto nello spazio e nel tempo e dalla Gran Bretagna primo novecentesca di Virginia Woolf passa alla Germania dei giorni nostri, prendendo in esame una delle figure più interessanti all’interno del panorama del femminismo europeo, la sociologa e politologa tedesca Claudia von Werlhof (1943-). Dopo il conseguimento della laurea in sociologia presso l’Università di Colonia (1974) e prolungati soggiorni di ricerca in Sudamerica, Claudia von Werlhof ha lavorato a Bielefeld e a Francoforte. Dal 1988 al 2011 ha infine ricoperto la prima cattedra di studi femminili in Austria, presso l’Università di Graz.

Il suo maggior contributo teorico consiste nell’aver inaugurato un filone innovativo di studi – il cosiddetto eco-femminismo o femminismo green – nell’ambito del quale, coniugando pacifismo, ambientalismo, femminismo e critica nei confronti della globalizzazione neoliberista, ha elaborato una teoria critica del patriarcato volta a denunciarne i nessi strutturali con il capitalismo e con le diverse forme di sfruttamento praticate ai danni delle donne, degli animali e della natura. A presentarcene il profilo intellettuale, introducendoci ai concetti fondamentali della sua riflessione, è Marzia Ponso, docente di Storia contemporanea presso il “Dipartimento di Culture, politica e società” dell’Università di Torino.

Donne e Pensiero Politico è un progetto a cura di Cristina Cassina, Giuseppe Sciara, Federico Trocini ed è promosso dall’Istituto di studi storici Gaetano Salvemini di Torino. https://www.istitutosalvemini.it/
Scopri il progetto anche su FB:

UNDOMESTIZIERT – #04 Was zum Teufel ist das Patriarchat

Prof. em. Dr. Claudia von Werlhof im Interview mit Nadine Kulis:

https://undomestiziert.podigee.io/6-neue-episode

Shownotes:

In diesem System handelt sich um die Entstehung und Entwicklung des „Fortschritts“, der eine Zerstörung des „mater arché“-Prinzips – am Anfang die Mutter – und seine Ersetzung durch ein angebliches „pater arché“-Prinzip – am Anfang ein „Vater“ – zum Ziel hat. Es soll also eine „väterliche“ anstelle der mütterlichen und generell natürlichen Hervorbringung der Welt erfunden und durchgesetzt werden, bis ein von allem Matriarchalen befreites „reines“ Patri-archat als die angeblich höhere und bessere Neuschöpfung der Welt entstanden ist…

Wer ist Claudia von Werlhof? Sie ist emeritierte Universitätsprofessorin für Politikwissenschaft und Frauenforschung. Sie war Miterfinderin der „Bielefelder Schule“ in Deutschland, forschte an der Basis in Mittel- und Südamerika, entwickelte die „Kritische Patriarchatstheorie“, war Mitbegründerin von FIPAZ (Forschungsinstitut für Patriarchatskritik und alternative Zivilisationen), der „Planetaren Bewegung für Mutter Erde“ und „BOOMERANG – Zeitschrift für Patriarchatskritik“. Sie ist als Forscherin dem Centre for Research on Globalization, Montreal, assoziiert.

Das Buch Väter des Nichts erscheint im Juli (zwei Bände) https://fipaz.at

Vortrag: Dr. Simone Wörer: Endstation Megamaschine? Patriarchatskritik und die Gabe als „Alterna-Tiefe“

Dr. Simone Wörer hielt bei der Tagung des Matriforums „Höher, Schneller, Weiter? Warum Wachstum um jeden Preis eine Alternative
braucht
“, am 11. September 2021 in Berlin einen Vortrag mit dem Thema: Endstation Megamaschine? Patriarchatskritik und die Gabe als
„Alterna-Tiefe
“.

In der Veranstaltung wurden die Mechanismen des geltenden Systems durchleuchtet, alternative Ökonomien vorgestellt und neue Perspektiven eröffnet: Wie funktioniert eigentlich unser Wirtschaftssystem? Welche echten Alternativen gibt es? Wie können wir nachhaltig wirtschaften?

Referentinnen waren: Samirah Kenawi, Simone Wörer, Andrea Baier und Heide Göttner-Abendroth

Hier finden Sie eine Zusammenfassung des Vortrags von MMag.a Dr.in Simone Wörer: >>Click<<