Prof. Dr. Claudia von Werlhof führt ein in die Kritische Patriarchatstheorie und die Alchemiethese.
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Von der Subsistenzperspektive zur Kritischen Patriarchatstheorie – Claudia von Werlhof im Interview
Der Bielefelder Ansatz der „Subsistenzperspektive“, Entstehung seit 1976
Der sog. „Bielefelder Ansatz“ beruht auf einer erweiterten Analyse des Kapitalismus und der Kapitalakkumulation als Weltsystem, indem er zum ersten Mal die Hausarbeit, die bäuerliche Arbeit und die Marginalität als „kapitalistische“ Produktionsverhältnisse definiert und einbezieht, also alle Arbeitsverhältnisse jenseits der Lohnarbeit weltweit. Dabei gerät auch das Patriarchat als organisatorisches Prinzip und Gewaltverhältnis auf neue Weise in den Blick, und es entsteht der Begriff des „kapitalistischen Patriarchats“, der unterstreicht, dass der Kapitalismus seine historischen Wurzeln im Patriarchat hat. Die Extrapolation dieser Produktionsweise, sprich des kapitalistischen Patriarchats, das den sog. Sozialismus inkludiert, zeigt, dass sie gerade an ihre globalen Grenzen stößt. Die Logik der Alternativen würde darin bestehen, eine „Subsistenzperspektive“ zu verfolgen, nämlich eine Politik der lokalen und regionalen Selbstversorgung jenseits von Warenproduktion, Lohnarbeit und Kapital(akkumulation) sowie Patriarchat. Nur auf diese Weise könnten das Ausbeutungs- und Zerstörungswerk der Moderne beendet und eine nicht mehr kapitalistische und patriarchale Weltzivilisation aufgebaut werden, die wieder an den Erfahrungen der egalitären und an der Natur orientierten Traditionen der matriarchalen Zivilisation anknüpft.
Von heute aus gesehen ist der Bielefelder Ansatz unvollständig geblieben. Er ist bei der Frage der Ökonomie eines um das Patriarchat erweiterten Kapitalismus stehengeblieben und hat die Frage der Technik bzw. Produktivkräfte als eigenständige und das Patriarchat samt Kapitalismus umfassend neu definierende Frage (noch) nicht gestellt. Der Bielefelder Ansatz kann daher nicht erklären, warum heute die Subsistenzperspektive nicht überall umgesetzt wird und werden kann, obwohl das Weltsystem inzwischen selbst erklärt, an seine Grenzen gestoßen zu sein. Das geschieht, indem etwa eine Klimakrise vorgeschoben und sogar produziert wird (etwa durch „Geoengineering“), um den Ressourcenverbrauch massiv zu drosseln und womöglich eine Bevölkerungsreduktion und tatsächlich einen zivilisatorischen Umbau in Gang zu setzen (Green New Deal, Great Reset). Gleichzeitig werden aber alle Produktionsmittel in immer weniger Händen konzentriert (z.B. Landgrabbing) und einer beschleunigten Maschinisierung unterworfen (4. Industrielle Revolution, Internet of Things, Digitalisierung) sodass sie einer alternativen Politik immer mehr entzogen werden.
Der Innsbrucker Ansatz der „Kritischen Patriarchatstheorie“, KPT, Entstehung seit 1990
Die KPT ist (m)eine Weiterentwicklung des Bielefelder Ansatzes, den ich mit aufgebaut habe. Dabei ging es um weiterführende Fragen: Was genau bedeutet eigentlich das Patriarchat, einmal unabhängig vom Kapitalismus gesehen, denn es entstand ja lange davor? Was hat es auch mit der Entstehung des Kapitalismus zu tun und dem, was danach kommt? Hat es ein eigenes Programm, was ist seine Dynamik, und wie passen sie zur Moderne? Oder auch umgekehrt: Inwiefern ist das Patriarchat die „Tiefenstruktur“ der Moderne selbst – und nicht etwa etwas, das gerade als „unmodern“ oder „überholt“ abgeschafft wird?
Der Zugang zu diesen Fragen entwickelte sich über die zusätzliche systematische Einbeziehung der Frage nach der Technik, also derjenigen der sog. Produktivkräfte, und zwar seit der Entstehung des Patriarchats mit der des Krieges in der Antike. Die KPT thematisiert den zu beobachtenden Zusammenhang von Technik und Gewalt als zentralen Merkmalen des Patriarchats, also von Krieg und „Entwicklung“, Produktion und Destruktion, bzw. Schöpfung aus Zerstörung und Zerstörung durch „Schöpfung“. Dadurch kommt eine außerordentliche historische Dynamik in den Blick, die lange vor dem Kapitalismus mit dem Patriarchat entstanden ist und bis heute immer massiver weitergewirkt hat, ja in dem Phänomen einer zu beobachtenden Weltzerstörung – Gefahr eines „Omnizids“ – gipfelt. Es handelt sich um die Entstehung und Entwicklung des „Fortschritts“, der eine Zerstörung des „mater arché“-Prinzips – am Anfang die Mutter – und seine Ersetzung durch ein angebliches „pater arché“-Prinzip – am Anfang ein „Vater“ – zum Ziel hat. Es soll also eine „väterliche“ anstelle der mütterlichen und generell natürlichen Hervorbringung der Welt erfunden und durchgesetzt werden, bis ein von allem Matriarchalen befreites „reines“ Patri-archat als die angeblich höhere und bessere Neuschöpfung der Welt entstanden ist. Denn eine väterliche Schöpfung wird seit Beginn des Patriarchats als die „eigentliche“ Natur imaginiert und ihre gewaltsame Erfindung und Durchsetzung dadurch gerechtfertigt. Fast die gesamte technische Entwicklung seit der patriarchalen Antike ist von diesem Grundgedanken geprägt. Ja, es stellte sich heraus: Das Patriarchat lässt sich überhaupt vor allem als technisches Projekt einer solchen umfassenden Transformation der Welt verstehen!
Dieses Projekt kann zunächst in der antiken „Alchemie“ der frühen Patriarchate und ihren Weiterentwicklungen bis in die europäische Neuzeit und Moderne erkannt werden. Dabei kommt es konsequenterweise zur Erfindung der Maschine als angeblich „besserer Natur“ und „höherem Leben“, ihrer Ausdehnung zur Zivilisation als „alchemistischem Kriegs-System“ und einer am Ende die ursprüngliche Natur vernichtenden und verdrängenden „Megamaschine“. Das Patriarchat ist damit nichts Geringeres als der historische Prozess eines versuchten Umsturzes der Naturordnung selbst. Es erstrebt auf diese Weise seine endgültige und komplette Realisierung – die ein Zustand jenseits der mütterlichen Schöpfung, der Schöpfung von Mutter Natur – wäre. Unter dieser Perspektive einer auf die Dauer angestrebten Totaltransformation der Welt bekommen ökonomische Ausbeutung und Aneignung sowie politische Gewalt und Herrschaft erst ihren „Sinn“. Das verändert den gesamten Blickwinkel. Denn bei diesem Projekt dient der Kapitalismus als globaler Beschleuniger, indem er das patriarchale Projekt gewinnbringend inszeniert. Es kommt also auch zu einer neuen Definition des Kapitalismus als einem Bestandteil des Patriarchats als dem Programm der Welttransformation. Das Patriarchat ist demnach – auch umgekehrt – viel mehr als ein bloßer Bestandteil des Kapitalismus, sondern dessen „inhaltliche“ Grundlage. Ja, es entsteht eine gänzliche Neudefinition des Verhältnisses von Kapital und Patriarchat und des Patriarchats jenseits seiner lediglich politischen und ökonomischen Bestimmung als Ausbeutungs- und Herrschaftsform. Denn die Motive, Ziele und Praxen des Patriarchats, seine „konkrete“ Utopie, sind die allem anderen zugrundeliegenden und die Entwicklung bestimmenden. Das Patriarchat gibt also den Ton an, nicht ein davon als mehr oder weniger unabhängig definierter Kapitalismus.
Das Problem damit ist allerdings, dass das Patriarchat im eigentlichen Sinne tatsächlich kollektiv unbewusst geblieben bzw. systematisch gemacht worden ist. Es wird quasi als „natürlich“ angesehen und wie eine Art allgemeine Religion vorausgesetzt. Es wird aber auch aktiv daran gearbeitet, das Bewusstwerden des Patriarchats zu verhindern, indem es angeblich diskutiert wird, jedoch völlig falsch definiert und reduziert auf die Frage gleicher Rechte von Frauen innerhalb des Systems, als Genderismus, politische Korrektheit und Toleranz gegenüber Minderheiten, „Sexualitäten“ oder Transgender-Phänomenen wie angeblich „schwangeren Männern“. So wird die Patriarchatskritik besetzt und in ihr Gegenteil verkehrt, was zu einer geradezu Orwell´schen Sprachverwirrung führt. Auf diese Weise kann die maschinenlogische Perfektionierung des Patriarchats gegen jede noch vorhandene Naturhaftigkeit wie die Mutterschaft oder das Geschlecht von Männern und Frauen unbemerkt durchgesetzt werden. Denn die irdische Naturordnung und die Maschine bis hin zum Antihumanismus sind keine Themen dieser angeblichen Patriarchatskritik, die sich lediglich an Ungleichheiten und „Diskriminierungen“ orientiert, welche im Angesicht der Maschine letztlich ohnehin wegfallen.
Im Vergleich zum Bielefelder Ansatz verfügt die KPT also über eine genauere, ergänzende und schließlich umwälzende historische Grundlegung im neu verstandenen Patriarchat und insbesondere seinen Techniken der Weltneuschöpfung durch sogenannte Väter. Erst so können die Logik der Moderne und des Kapitalismus und seine grundsätzliche Destruktivität erklärt werden, die inzwischen weltweit lebensbedrohliche, ja teilweise irreversible Konsequenzen hat und den Planeten als Ganzen betrifft. Die KPT mit ihrer allem anderen zugrunde zu legenden Technikkritik zeigt auch, warum die Subsistenzperspektive heute als Alternative zum kapitalistischen Patriarchat gar nicht durchsetzbar ist. Denn die neueste technische Entwicklung einer „alchemistischen“, inzwischen 4. Industriellen Revolution, ermöglicht es dem System, die Alternativen zu verabschieden, indem es vorgibt, diese nun sogar selbst zu realisieren (s. „Grüne“ Politik). Tatsächlich aber wird aktuell eine Politik umgesetzt, die sich unter Verwendung völlig „verkehrter“ Begriffe der Konzentration aller Produktionsmittel und Werte in weltweit ganz wenigen Händen verpflichtet, um sie in das alchemistische Transformationsprojekt zu integrieren (Ende des generellen Privateigentums, freien Unternehmertums und der Menschenrechte), die Gesellschaft auf eine extrem reduzierte quantitative Basis – durch eine laufende Bevölkerungsreduktion – zurückzufahren und mit neuen Technologien weiterzuführen. Diese sollen der menschlichen Arbeitskraft, ja der menschlichen Intelligenz und Kreativität kaum mehr bedürfen, sondern durch die generelle Maschinisierung sowie den als besser und höher propagierten maschinisierten Menschen, die trans- und posthumane Menschmaschine, ersetzen. So geht die tatsächliche Realisierung des Patriarchats als Zivilisation einer Schöpfung der Väter in ihre Endrunde, wobei die mutterlose Reproduktion einen „Menschen“ hervorbringen soll, der keiner mehr ist und sein soll. Patriarchat bedeutet das Ende der Conditio Humana, also eine „Menschendämmerung“. Erst dieser letzte Teil der Verwirklichung des Patriarchats als historischem Prozess, der bisher aufgrund des generellen Anthropozentrismus sowie der allgemeinen Technik- und Fortschrittsgläubigkeit nicht bedacht wurde, zeigt, was Patriarchat jenseits einer bloßen Herrschaftsordnung, Ökonomie und „Psychologie“ wirklich ist. Es macht ernst mit der destruktiven Transformation alles Bestehenden in „Väter“-Geschaffenes, eben auch der des Menschen selbst. Ohne ein Verstehen der alchemistischen Verfahren, welche die entsprechenden technischen – und auch alle anderen – zivilisatorischen Methoden und Verhältnisse inzwischen bestimmen, ist demnach nicht erkennbar, wie ein derartiges Durchstarten des Systems heute möglich ist. Ja, der Glaube an dieses System ist ungebrochen, sein patriarchaler Charakter kollektiv unbewusst, und der Gang der Väter ins Nichts anstatt in das von ihnen beschworene neue Paradies undurchschaut. Es herrscht buchstäblich der von Adorno sogenannte „Verblendungszusammenhang“. Der Fortschritt kann bisher nicht als das logische Ende des Menschen selbst erkannt werden.
Indem diese letzteren Entwicklungen erst seit dem 21. Jahrhundert deutlich in Erscheinung zu treten begonnen haben, ist nun erkennbar, warum der Bielefelder Ansatz immer weniger realisierbar ist. Das haben seine VertreterInnen aber noch nicht wahrgenommen, insofern die Weiterentwicklung der Analyse des Weltgeschehens durch die KPT an ihnen vorbeigegangen ist. So sind der viel umfassendere und konkretere neue Patriarchatsbegriff der KPT und die durch sie formulierte Technikkritik nach wie vor ein Tabu gerade in Kreisen, die sich der Gesellschaftsanalyse widmen. Die KPT erfordert ein Neu- und Umdenken, zu dem die wenigsten bisher fähig oder bereit zu sein scheinen. Die Frage, wie die heutige buchstäblich lebensbedrohliche Entwicklung und ihre Ursachen überhaupt wahrgenommen, geschweige denn gestoppt werden können, ist jedenfalls mit der Subsistenzperspektive allein nicht beantwortbar. Erst eine Infragestellung des weit über eine bloße Ausbeutung und Unterdrückung hinausgehenden patriarchalen Transformationsprojekts und seiner Utopie der Realisierung einer vätergeschaffenen Maschinen-Welt gegen Mutter Natur kann zu einer Antwort führen. Sie ist nach Jahrtausenden der Gewöhnung an das alles verkehrende patriarchale Denken, Handeln, Fühlen und Wollen aber nicht in Sicht. So ist längerfristig von einem Scheitern des „alchemistischen Kriegssystems“ Patriarchat auszugehen, weil es sich als Gegen-Natur aufbaut. Eine solche Verkehrung der Naturordnung kann es auf die Dauer nicht geben. Aber die Zerstörung des Lebens, die dadurch zunächst in immer größerem Umfang stattfindet, und bis hin zu einem Omnizid gehen kann, kann ja nicht hingenommen werden. Als Menschen haben wir nun die Verantwortung für die Bewahrung des Lebens auf der Erde. Wenn wir das erreicht haben, kann auch eine Subsistenzperspektive wieder greifen.
Die fünf wichtigsten zivilisatorischen Verhältnisse
Durch die moderne Matriarchatsforschung war es möglich, die beiden wichtigsten Zivilisationen der Geschichte, Matriarchat und Patriarchat, zu identifizieren und dadurch die Diffamierung des Matriarchats und die Einschränkung des Zivilisationsbegriffs auf Patriarchate zu überwinden. So ist es möglich, uns der Bedeutung der matriarchalen Zivilisation bewusst zu werden und sie angesichts der konträren Entwicklung der patriarchalen Zivilisation als Alternative im Auge zu behalten. Denn: nicht immer war Patriarchat, und es muss auch nicht dabei bleiben!
Die Unterscheidung der beiden Zivilisationen in ihren verschiedenen Ausprägungen nehmen wir anhand von fünf grundlegenden zivilisatorischen Verhältnissen vor, die mindestens und dauerhaft geregelt werden müssen, um den Fortbestand einer Zivilisation generell zu gewährleisten. Es sind
• Das Naturverhältnis, bestehend aus Ökonomie und Technik, mit denen die Zivilisation mindestens ihr materielles Überleben sichert. Denn alles das, was sie dafür braucht, entstammt der umgebenden Natur. Sie muss also den Ge- und Verbrauch der Natur quantitativ, qualitativ und technisch so organisieren, dass er dauerhaft das Überleben garantiert. Dadurch ist das Naturverhältnis das unmittelbar wichtigste von allen.
• Das Geschlechterverhältnis zwischen Männern und Frauen ist zu regeln, weil es um die Reproduktion der Gattung und damit um das Weiterbestehen der Zivilisation überhaupt geht. Werden keine neuen Menschen geboren, geht die Zivilisation zugrunde. Es müssen also die Bedingungen dafür geschaffen werden, dass es dazu kommen kann und verlässlich kommt, und es müssen die Bedingungen für die Aufzucht der nächsten Generation geregelt werden.
• Das Generationenverhältnis zwischen der jungen, mittleren und älteren Generation ist zu regeln, damit ein fließender Übergang in der Zeit und eine Weitergabe von Erfahrungen, Wissen und Traditionen stattfinden kann, die nötig sind, um das zivilisatorische Leben aufrecht zu erhalten, ohne es immer wieder neu erfinden zu müssen.
• Das politische Verhältnis ist notwendig, um die Form zu bestimmen, in der das Zusammenleben innerhalb der Zivilisation generell ausgehandelt, weitergegeben und gegebenenfalls durchgesetzt wird, und wie mit Einflüssen von außen oder nach außen umgegangen wird.
• Das Transzendenzverhältnis, schließlich, führt zurück ins Naturverhältnis. Es ist das zivilisatorische Verhältnis zur Tatsache des Eingebundenseins der menschlichen Existenz in eine umfassendere Welt, den Kosmos, in das Rätsel der Übergänge zwischen Leben und Tod sowie der Herkunft und Aufgabe des Menschen auf der Erde. Religion und Spiritualität sind Ausdrucksformen des Transzendenzverhältnisses.
Es ist von hier aus klar, dass es sehr verschiedene Formen geben kann, wie diese fünf zivilisatorischen Grundverhältnisse geregelt werden. Es kommt darauf an, ob man sich dabei an der Natur orientiert oder gerade nicht, ob man zu Zwangsmitteln greift oder vom Konsens ausgeht, und ob und wie man sich den umgebenden Bedingungen anpasst oder nicht, bzw. diese auch noch umzukehren bestrebt ist. Davon hängt der Charakter der Zivilisation ab und die Dauer, die sie Bestand haben kann.
Aufgrund der Matriarchatsforschung wissen wir, dass die matriarchale Zivilisation von Naturnähe, interner Kooperation und Egalität in der Entscheidungsfindung geprägt war/ist. Die patriarchale Zivilisation ist dagegen von Naturferne, gegen sie gerichteten Utopien, Gewalt und Hierarchien gekennzeichnet. Ja, sie strebt eigentlich einen Zustand jenseits der Natur an, in dem alle Verhältnisse durch maschinelle Bedingungen ersetzt worden sind, sodass eine Zivilisation im menschlichen oder natürlichen Sinne gar nicht mehr besteht. Das Patriarchat als Weltsystem läuft auf ein Ende aller Zivilisation hinaus.
Claudia von Werlhof, Mai 2022
Buch im Druck:
Väter des Nichts. Zum Wahn einer Neuschöpfung der Welt, 2 Bde. Zeitgeist 2022
CIAS Uni Bielefeld: Interview mit Prof. Claudia von Werlhof
Das Center for InterAmerican Studies (CIAS) der Universität Bielefeld interviewte Prof. Claudia von Werlhof 2018 über ihren wissenschaftlichen Werdegang, angefangen von der Hausarbeitsdebatte, der „Bielefelder Subsistenzperspektive“ bzw. dem „Bielefelder Ansatz“ bis hin zur Entstehung der „Kritischen Patriarchatstheorie„.
Claudia von Werlhof und Dagmar Neubronner zum Thema: „Stirbt die Erde?“
Gesprächsreihe mit Prof. Dr. Claudia von Werlhof und Dagmar Neubronner über den Zustand der Erde, Rosalie Bertell, Geoengineering, CO2 und das Ozon Problem, Januar 2019.
YouTube Playlist: Liegt die Erde im Sterben?
Dagmar Neubronner ist Biologin, Therapeutin und Publizistin, von 2006 bis 2018 Aufbau des deutschsprachigen Programms des entwicklungspsychologischen Neufeldinstituts. Sie ist Mutter zweier schulfrei gebildeter Söhne.
Kommentar Claudia von Werlhof zu den 5 Gesprächen mit Dagmar Neubronner „Stirbt die Erde?“
Zuerst sollte es vor allem um die Frage des Ozonsterbens gehen, denn das ist an Gefährlichkeit im Moment und für die nächsten Jahrzehnte kaum zu überbieten. Ich hatte darüber in den Info-Briefen 13 und 14 informiert und in verschiedenen ausländischen Medien publiziert. Als Dagmar Neubronner, die ich wegen ihrer Arbeit für Kinder und zur „Bindungsanalyse“ schätzen gelernt hatte, mich fragte, ob wir dazu ein Gespräch machen wollten, stimmte ich zu. Bereits im 2. Gespräch merkte ich, dass nichts vertieft werden konnte. Wir blieben bei der Radioaktivität als einer der vielen Ursachen des Ozonsterbens stecken. Ich wollte aber wenigstens auf die gesellschaftlichen Hintergründe zu sprechen kommen, was knapp im 3. Gespräch zum Thema Geschichte des Patriarchats erfolgte, und im 4. dann zu dessen großtechnischen Folgen in Form einer „Maschinisierung des Lebendigen“, die im weitesten Sinne den Zusammenhang abgibt für die Entwicklung von Technologien, die heute zum Ozonsterben führen. Im 5. Gespräch wollte Dagmar endlich das Thema „Was tun?“ besprechen, was ich nur im Zusammenhang mit einer Analyse der Ursachen des Dilemmas tun wollte. Nun zeigte sich, dass sie Vorstellungen hatte, die mit diesen Ursachen nichts zu tun hatten, sodass wir uns gar nicht (mehr) verständigen konnten. Denn nun hätten wir ja zum Ausgangspunkt zurückkehren müssen, nämlich der Frage, wie verhindern wir, dass die Gründe für das Ozonsterben weiter unerkannt bleiben, und wie schaffen wir es, dass die Aktivitäten, die zu ihm führen, eingestellt werden.
Das alles habe ich in den letzten Infobriefen thematisiert. Leider konnte ich das in den Gesprächen nicht so zum Thema machen, wie es aus meiner Sicht notwendig gewesen wäre.
Innsbruck, 6.3.2019
Claudia von Werlhof am Quer-Denken.TV Kongress Köln 2016
Am 26. und 27. November 2016 findet in Köln der 3. Quer-Denken.TV Kongress statt.
Prof. Dr. Claudia von Werlhof wird dabei am Sonntag den 27.11.16 zwischen 10:05 – 10:50 von Dr. phil. Michael Friedrich Vogt zum Thema „Geoengineering – die „große Transformation“ des Planeten?“ interviewt.
Zusätzlich wird es einen Büchertisch geben für dessen Organisation noch tatkräftige Helfer gesucht werden die uns beim Verkauf unterstützen.
Um Anmeldung unter: claudia [at] von-werlhof.net wird gebeten.
Prof. Dr. Claudia von Werlhof bei Quer-Denken.TV – Caliban und die Hexe
Caliban und die Hexe – zur „Alchemie“ der Moderne.
Patriarchatskritik der kapitalistischen Gesellschaft
Prof. Dr. Claudia von Werlhof im Gespräch mit Michael Friedrich Vogt. Wir leben heute (beginnend vor mehreren Jahrtausenden) in einer weitgehend patriarchal organisierten Welt oder Zivilisation, relativ unabhängig von Nationalitäten, Kulturen und Religionen. Die moderne Form dieses Patriarchats ist das „kapitalistische Patriarchat“. Es knüpft an die schon im Altertum formulierte „alchemistische“ Utopie an, durch eine technische Transformation, ja Überwindung und Ersetzung der Natur und Menschen, insbesondere der Frauen als Mütter, zu einer nur von Männern geschaffenen Zivilisation des „pater arché“, am Anfang des Lebens bzw. der Materie jeweils ein Herr bzw. „Vater“, zu gelangen.
Alternative dazu wäre eine matriarchale zivilisatorische Regelung, die nichts mit einer „Frauenherrschaft“ zu tun hat, sondern an der Kooperation und nicht Beherrschung oder gar Eliminierung bzw. Ersetzung von Natur und Müttern, also an dem „mater arché“ orientiert ist, wie es das Erdenleben kennzeichnet.
Obwohl die matriarchale Zivilisation die ältere und ursprüngliche ist, hat sie sich gegen die gewalttätige, kriegerische Patriarchalisierung der Kontinente bis auf einige noch immer lebende Matriarchate nicht halten können. Sie beruht auf Herrschaftsfreiheit, Gemeinsinn, Gerechtigkeit, Gewaltfreiheit, Respekt und Achtung vor dem Leben. Demgegenüber steht die patriarchale Zivilisation, die genau umgekehrt geregelt ist, eben weil sie die irdischen, quasi „mütterlichen“, Bedingungen nicht akzeptiert und ihnen ihr alchemistisches Umwandlungsverfahren auf allen Ebenen und in allen Bereichen entgegensetzt. Dies führt zu einer buchstäblichen Verkehrung der Welt, die gerade in der Neuzeit und Moderne mithilfe moderner Maschinentechnik erst wirklich Gestalt angenommen hat. Ja, die Maschine ist sozusagen die Inkarnation des Naturersatzes, was aber wegen des historischen Scheiterns alchemistischer Verfahren nicht zugegeben wird.
Diesen Fragen geht Prof. Dr. Claudia von Werlhof (emeritierte Professorin für Politikwissenschaft und Frauenforschung am Institut für Politikwissenschaft der Universität Innsbruck) als einer der Mitbegründerinnen der Frauenbewegung auf den Grund. Sie zieht dafür die Linie von den Anfängen der Frauenforschung über das Buch „Caliban und die Hexe“ und die Auseinandersetzung mit dem Marxismus bis zur sog. Kritischen Patriarchatstheorie heute nach. 2007 gründete sie dazu den Verein FIPAZ (Forschungsinstitut für Patriarchatskritik und alternative Zivilisationen).
Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die moderne Zivilisation im Zusammenhang mit dem Patriarchat vom Nanobereich bis hin zum Planeten Erde so zerstörerisch geworden ist, dass sie aufgegeben und re-matriarchalisiert werden sollte. Die kapitalistische Gesellschaft ist dabei der historische „Höhepunkt“ der patriarchalen Zivilisation. Dies sei der Grund für die Zivilisations- und Kapitalismuskrise der Moderne.
Homepage: Quer-Denken.TV
Die Buchrezension von Prof. Dr. Claudia von Werlhof zu Silvia Federici’s
Caliban und die Hexe – Frauen, der Körper und die ursprüngliche Akkumulation ist
Grundlage für das Quer-Denken.tv Interview „Caliban und die Hexe – zur Alchemie der Moderne. Patriarchatskritik der kapitalistischen Gesellschaft“, und hier komplett als .pdf verfügbar.
„Das Ende des Patriarchats“ – Claudia von Werlhof im Interview (www.nexworld.tv)
Nach wie vor scheint der Mensch in seinen archaischen Gesellschaftsstrukturen verankert zu sein; die männlichen Führungskräfte sind die Stammeshäuptlinge unserer Zeit. Für Frau Prof. Dr. Claudia von Werlhof, bekannte Frauenrechtlerin an der Universität Innsbruck, ist dies der Grund für die aggressive, leistungsorientierte und unsoziale Ausprägung unserer Gesellschaft.
Der Mann ist die bestimmende Kraft im Gesellschaftssystem, die Frau spielt eher eine untergeordnete Rolle, garantiert aber durch ihre kommunikative und sanfte Natur den familiären Zusammenhalt. Daher fordern Soziologen vermehrt die Einbindung von Frauen in politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entscheidungen. Dies soll zu einer grundsätzlich sozialeren Gesellschaft, vielleicht sogar einer besseren Welt führen.
Das soll nicht bedeuten, dass wir Frauen in Hosenanzügen züchten sollen. Für Frau Werlhof ist eins klar: die Frauen sollten sich wahrhaftig emanzipieren und nicht einem männlichen Ideal entsprechen. Nun stellt sich die Frage, ob die Emanzipation in Wirklichkeit kontraproduktiv war und die angeblich bewusste Frau zu einem Mann mit weiblichen Attributen wurde?